Mitarbeiter im Portrait
Wenn Halis wenig redet, nicht singt und traurig schaut, wissen seine Arbeitskollegen Bescheid: Galatasaray Istanbul hat ein wichtiges Match vergeigt. Kommt aber beides zum Glück selten vor. So choreografiert der Mannschaftskapitän in der Kurz’schen Backstube meistens mit ansteckend guter Laune seine „Elf“ jede Nacht zur Siegermannschaft.
Warum Halis Bäcker geworden ist? „Mein größtes Hobby ist Fußball. Fußball schauen, meine ich. Da muss ich abends zu Hause sein!“ Ja, man muss Prioritäten setzen. Geselle Halis Duvarci aus Schönwies ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser in der Backstube.
Seit fast 20 Jahren im Betrieb, fungiert er als Tafelarbeiter, linke und rechte Hand des Mischers, Springer am Ofen und Koordinator für so ziemlich alle und alles. War nicht so geplant, hat sich durch seine Hands-on-Mentalität ergeben: „Ich bin gerne da, wo man mich braucht und liebe die Abwechslung in meinen Tätigkeiten. Manche Aufgaben haben sich einfach mit der Zeit entwickelt. Ich mache alles gerne“, winkt er bescheiden ab, wenn ihn jemand – zum Beispiel der Chef – mal loben will.
Apropos: Er arbeitet bereits unter und mit der dritten Generation Kurz: Sein Handwerk gelernt hat er bei Elmar, aktuell ist Hannes der Boss und dessen Sohnemann Julian schult er gerade als Bäckerlehrling ein. Der dreifache Familienvater vergisst nicht auf die Damen des Hauses: „Seniorchefin Sieglinde und Sandra, ich habe zu allen ein sehr gutes Verhältnis. Ich bin mit der Familie Kurz mitgewachsen.“
Nein, mit Schulunterricht hat Tafelarbeit in der Bäckerei nichts gemein, auch wenn Halis nach seiner Tätigkeit ebenfalls weiß-staubige Finger hat. Er und sein Team machen auf der Holztafel „die Teige auf“, wie es in der Bäckersprache heißt. Sprich: Sie geben den Teigen, die der Mischer – Backstubenleiter Mario Gstöttinger – herstellt, die richtige (Brot-)Form. Nebenbei singt Halis ein Lied nach dem anderen. Mal sind es Melodien aus seiner ursprünglichen Heimat, mal aktuelle Hits aus dem Radio. Musikalischer Kulturaustausch für die gute Laune im Betrieb sozusagen: „Im Nachtdienst braucht’s einen Menschen, der aufweckt, motiviert und zwischendurch, wenn mal einer die Ohren hängen lässt, moralisch aufbaut.
Das gute Klima in der Backstube ist enorm wichtig, nicht nur für mich.“ Und wer klaubt ihn zusammen, wenn seine Gelb-Roten, die Aslanar oder Cim Bom, wie sie in der Türkei salopp heißen, als Verlierer vom Spielfeld schleichen? „Dann sehen mir das meine Kollegen schon an und lassen mich am besten eine Zeitlang in Ruhe. Ich finde im Laufe der Nacht schon wieder meine Mitte…“
Auch die Einteilung fürs Einschießen obliegt dem 36-jährigen Sonnenschein. Was wiederum nichts mit Fußball zu tun hat, sondern das Beschicken der Backöfen mit den fertigen Teiglingen meint – eine peinlich genau zu timende Aufgabe. Und wenn Ofenarbeiter Benni mal Urlaub hat, nimmt Halis selbst den Schießer in die Hand. Weiters ist er Herr über den Dienst-Kalender und wacht über die gerechte Verteilung von „spielfreien“ Zeiten, freien Nächten also für die Bäcker. Die Wünsche von elf, manchmal zwölf Leuten während der Hochsaison hat er zu koordinieren. Beschwerden kommen so gut wie nie, der Kapitän hat seine Mannschaft im Griff. Muss wohl an seiner Einstellung liegen: „Die Arbeit hier ist mein Leben, die Kollegen sind auch meine Familie. Wenn alles passt, kann ich ruhig schlafen.“ Volltreffer!
Halis Duvarci
» Im Nachtdienst braucht’s einen Menschen, der aufweckt, motiviert und zwischendurch, wenn mal einer die Ohren hängen lässt, moralisch aufbaut. «
Halis Duvarci (bedeutet auf Deutsch übrigens: Reiner Maurer) kam 1997 aus Konya/Türkei im Rahmen der Familienzusammenführung nach Pians. 1999 begann er in der Bäckerei Kurz seine Bäckerlehre und ist seitdem im Betrieb. Er macht und isst am liebsten Vinschgerl und Vollkornbrot. Mit Frau und drei Kindern lebt er in seinem Haus in Schönwies. Der Fernseher zum Fußballschauen ist… groß – sehr groß.