Was lange ruht, wird endlich gut

Warum sind Brot & Gebäck vom Handwerksbäcker so viel besser verträglich als Massenware vom Discounter? Und was hat das mit Begriffen wie „lange Teigführung“ und „kalte Gare“ zu tun? Eine Hommage an die Zeit, die es braucht, damit am Ende alles gut wird.

Beim Backen ist unser Name nicht Programm, denn KURZ und schnell geht bei uns gar nichts. LANG und langsam lautet die Devise. Dahinter steckt die Überzeugung, dass gutes Brot im Grunde nur vier Zutaten benötigt: Mehl, Wasser, Salz und Zeit. Vor allem diese vierte Zutat bewirkt so viel Großartiges, dass wir sie reichlich auf Lager halten. Das gesamte Sortiment der Bäckerei Kurz wird langzeitgeführt. Das bedeutet, dass unser Brot und Gebäck vor dem Backen mindestens 24 Stunden Teigruhe genießen, oft sogar 48 oder bis zu 72 Stunden.

Hannes Kurz

Position im Unternehmen

» Wie guter Wein und Käse braucht auch Brot seine Reifezeit, um das volle Aroma zu entfalten. Diese Investition von Geduld und Aufmerksamkeit in unsere Produkte ist das Fundament unseres Handwerks und trägt entscheidend zur Qualität, Aromatiefe und Bekömmlichkeit unseres Brotes bei.«

Was bedeutet langzeitführung?

Der Begriff beschreibt eine Methode der Teigführung, bei der Vorteige oder der gesamte Teig mindestens 24 Stunden reifen (= fermentieren), bevor sie weiterverarbeitet und gebacken werden. Die Reifezeit wird von Faktoren wie Temperatur, Teigkonsistenz und Zeit beeinflusst. Während dieser Phase fermentieren die im Teig enthaltenen Mikroorganismen und produzieren Gase, die das Brot aufgehen lassen und ihm sein charakteristisches Aroma verleihen. Diese Vorgänge können bei Raumtemperatur oder sanfter Kälte im Kühlhaus erfolgen. Vorteil der kalten Gare: Sie verlangsamt den Fermentationsprozess – mit vielen positiven Auswirkungen auf das Brot und alle, die es später verknuspern!

Hannes Kurz

Position im Unternehmen

» Gutes Brot benötigt im Grunde nur vier Zutaten: Mehl, Wasser, Salz und ausreichend Zeit. «

Vorteile der langen Teigruhe

Geschmack

Durch die lange Fermentationszeit entwickelt der Teig tiefere und komplexere Aromen. Das Brot bekommt einen vollmundigeren Geschmack, der oft an leicht säuerliche Noten erinnert. Übrigens: Jeder Sauerteig ist ein Unikat, da die Mikroorganismen, die ihn bevölkern, einzigartig sind und den Geschmack des Brotes bestimmen.

Verdaulichkeit

Während der langen Teigruhe werden schwer verdauliche Bestandteile im Teig abgebaut. Hier versteckt sich auch des Rätsels Lösung, warum so viele Menschen kein Brot mehr vertragen. Schuld an den Bauchschmerzen, Blähungen und am Unwohlsein erhält nämlich oft zu Unrecht der Weizen. Oder besser gesagt bestimmte Zuckerverbindungen, die von Natur aus im Weizenkorn zu finden sind. Experten nennen sie FODMAPs (kurz für: fermentierbare Oligo-, Diund Monosaccharide sowie Polyole). Diese FODMAPs kann der Dünndarm nicht ausreichend abbauen, weshalb sie im Dickdarm die genannten Probleme verursachen. Die Langzeitführung macht Weizenbrote und Gebäcke besser verdaulich, weil sich der Gehalt an FODMAPs im Verlauf des Fermentierens verringert. Forscher haben herausgefunden, dass ihre Konzentration im Brotteig nach einer Stunde am höchsten ist. Danach fangen die im Teig (und vor allem im Sauerteig) enthaltenen Mikroorganismen an, diese Zuckerverbindungen abzubauen, sodass nach ca. 10 Stunden nur noch zehn Prozent der blähenden Zucker enthalten sind. Da die Backwaren von Kurz mindestens 24 h geführt werden, sind die problematischen FODMAP´s zur Gänze abgebaut. Fazit: Gut für den Bauch, wenn ein traditioneller Bäcker auf lange Gehzeiten setzt – schlecht, wenn das Brot wie bei der industriellen Brotherstellung schon nach einer Stunde gebacken wird!

Haltbarkeit

Brot, das mit Langzeitführung hergestellt wurde, bleibt länger frisch und saftig. Es hat eine feuchtere Krume und eine knusprigere Kruste. Sauerteigorganismen wirken zudem antimikrobiell und erschweren es Schimmelpilzen, sich im Brot einzunisten.

Textur, Farbe & Kruste

Durch den Reifeprozess wird Stärke zu Zucker abgebaut, der beim Backen karamellisiert und speziell bei Weißbroten eine glänzende Krumenfarbe erzeugt. Die kleinen „Eiweißbläschen“ an der Oberfläche sind ein typisches Qualitätsmerkmal für eine lange Teigreife. Die langen Eiwei.moleküle werden durch die lange Zeit zu kürzeren und weicheren Strukturen abgebaut. Dadurch kann das Eiweiß besser vom Körper verdaut werden. Durch den stattgefundenen Reifeprozess bekommt Brot generell eine ansprechende Struktur, die beim Kauen angenehm ist.

Flexible Produktion

Langzeitführung ermöglicht es, die Produktionsabläufe flexibler zu gestalten und einige Herstellungsschritte von der Nacht auf den Tag zu verlagern. Dies fördert die optimale Auslastung der Backstube und freut die MitarbeiterInnen.

Und wie macht’s der Kurz lang?

In unserer Backstube in Ischgl kommen je nach Brotsorte verschiedene Methoden der Langzeitführung zum Einsatz.

10 Stunden Fermentation

Schwere Korn- und Roggenbrote werden mit einem hauseigenen Natursauerteig, den wir täglich neu ansetzen und weiterzüchten, versäuert. Dadurch sind auch Roggen- und Kornbrote von Kurz besonders gut verträglich und haben ihren eigenständigen, natürlichen Brotgeschmack und Charakter.

24 Stunden Fermentation

Weißbrote, Kleingebäck, Semmeln und süße Produkte: Der Teig darf nach dem Teigmischen je nach Produkt zwischen einer und zwei Stunden rasten. Nach der Aufarbeitung (Formgebung) dürfen die Teiglinge 24 Stunden in speziellen Reiferäumen bei exakt 7°C und 98 % Luftfeuchtigkeit gären, bis sie am nächsten Tag gebacken werden. „Die Temperaturkurve ist sehr wichtig – jedes Grad macht einen großen Unterschied“, verrät Hannes Kurz. Pain Paillasse und Ruchbrot: Der Teig wird gemischt, in Gärwannen gefüllt und im Reiferaum 24 Stunden fermentiert, bis er aufgearbeitet wird. Nach einer Stunde Stückgare wird das Brot gebacken.

48 Stunden Fermentation

Für unseren Josef Laib mischen wir einen speziellen Vorteig, der bei Raumtemperatur 24 Stunden reifen darf. Nach der Herstellung des Hauptteiges darf sich dieser wiederum für zwei Stunden im Kessel entspannen. Nach der händischen Aufarbeitung kommt der Laib in spezielle Brotsimperln aus Holz und darf erneut 24 Stunden lang im Reiferaum fermentieren.

72 Stunden Fermentation

Beim Krustenlaib wird mit einem speziellen Vorteig, der 24 Stunden reifen darf, begonnen. Anschließend wird der Hauptteig gemischt, der in einer Gärwanne wiederum 24 Stunden fermentiert. Anschließend wird der Teig aufgearbeitet und kommt in spezielle Brotsimperln, wo er nochmals 24 Stunden bis zum endgültigen Backen fermentiert.

Hannes Kurz

Position im Unternehmen

» Nicht die Getreidesorte bestimmt die Verträglichkeit, sondern die Art der Teigzubereitung. «

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